Im Grimmschen Wörterbuch findet man unter dem Lemma „Unfug“ folgendes: „UNFUG, m. , gegentheil von fug (th. 4, 1, 1, 372), selbständiger ausgebildet und weniger in festen verbindungen haftend als diese“. [1] Das Gendern, also die Öffnung der deutschen Sprache im Hinblick auf seine geschlechtliche Verortung, das Sichtbarmachen der geschlechtlichen Zuordnung von Worten, durch ein Sternchen „*“ oder durch Doppelpunkte „:“, die inzwischen Unterstriche „_“ oder „/“ ersetzt haben.
Das Gendern wird im Deutschen oft als „Unfug“ angesehen und sogar verboten[2], was zeigt, worum es geht, wenn Sprecher:innen und Leser:innen beginnen von der Sprache zu verlangen sich zu bewegen, performativ zu werden, lernfähig, was sie sowieso unaufhaltbar tut. Diejenigen die damit ein Problem haben, Worte benutzen, die abwertend gemeint sind, aber letztendlich eine ganz freundliche Geschichte haben. Es geht auch anders herum, wie die andauernde oft einfach ignorant positiv gelesene Verwendung des Wortes „Kunst- und Kulturschaffende“ eine Erfindung der Nationalsozialist:innen ist, die sehr unbeweglich im Gebrauch ist.[3] Meine Erfahrung darauf hinzuweisen, bringt oft Widerstand zu Tage, ganz ähnlich wie die Fragilität im Hinblick auf die Verwendung von rassistischen Begriffen.[4]
Audre Lorde eine der Autor:innen, Dichter:innen, auf die Ahmed sich immer wieder bezeiht, war es, die darauf hinwies, dass über etwas zu schweigen, kein Schutz ist und es keinen Sinn macht über Ungerechtigkeiten zu schweigen oder sie nicht anzusprechen.
https://www.youtube.com/watch?v=K0MHGR1VYjE&ab_channel=AfroMarxist
Es ist die erste der Nervensägen-Wahrheiten (killjoy truths), die Ahmed in ihrem Handbuch aufschreibt, es gibt auch noch Maximen (maxims) , Bekenntnisse (commitments) und Gleichnisse (equations) lautet: Ein Problem anzusprechen, bedeutet ein Problem zu sein (to expose a problem is to pose a problem) sowie das Herzstück des Nervensägen-Bekenntnisses: Ich bin bereit Unzufriedenheit zu bereiten (I am willing to cause unhappiness). Und diese Unzufriedenheiten können sich verändern, in Kulturen, in Sprachen, in uns selbst. Ein kritisches Bewusstsein durch die genaue Betrachtung der Sprache und der Publikationen sind etwas, das sich zeigt und oft genug nicht beachtet wird, verschwiegen wird.
Es gibt die Worte, die zum Schweigen gebracht werden und Worte, über deren Erbe geschwiegen wird. Es gibt das Sprechen nicht ohne das Schweigen und das Schweigen wird nur hörbar, wenn es ein Sprechen gibt. Das fällt auf, wenn Regulierungen und Machtverhältnisse entstehen, die einer essentialistisch, biologistischen Weltsicht entstammen, die einen großen Teil der Verlässlichkeit aus etwas Angeborenem ableitet und von diesem Standpunkt aus argumentiert. Und doch davon ausgeht, man sei über eine Art vererbtes System der gesellschaftlichen Organisation und Verteilung der Privilegien lange hinweg.
Letztendlich hängt man jedoch. in den Ländern, die sich als „zivilisierte Gesellschaften ansehen“ immer noch in mittelalterlichen Ordnungsprinzipien fest. Die Transgendertheoretiker:in Terre Thaemlitz beschreibt es folgendermaßen[5]:
Für mich ist das [Essentialismus] untrennbar von der Sprache des Feudalismus, von der ausgehend die herrschende Aristokratie ihre Privilegien als ein Geburts- und Blutrecht betrachtete. .In anderen Worten, gerechtfertigt auf der Basis ihrer DNA. Diese Gewohnheit Gesetze auf der Grundlage des Körpers zu verfassen ist sehr verschieden von einem echten demokratischen Prozess, bei dem Menschen die Wahl haben Formen der Gewalt und der Diskriminierung zu ächten, die auf ihrer kulturellen Fähigkeit Diversität zu akzeptieren beruht (eine Fähigkeit, die wir, selbstverständlich, nicht besitzen).
An dieser Stelle stieg ich ein, als ich begann das Handbuch für feministische Nervensägen von Sara Ahmed zu übersetzen, was nach meiner Ansicht verlangte, die eigene Perspektive, den eigenen Blickwinkel von dem aus gesprochen wird, zu betrachten, nicht nur um biologistischer, klassistischer, rassistischer Positionen zu unterscheiden, sondern v.a. in der Sprache die Zusammengehörigkeit zu versuchen, die sich unterscheidet von den mitgeschleppten Worten, den ererbten Traumata, die tagtäglich im Wortgebrauch sind und nach meiner Ansicht immer noch zu wenig hinterfragt werden.
Für mich beginnt das mit der Sprache, wir besitzen ausreichend Dokumente und Aufzeichnungen über die Veränderung der Sprache im Nationalsozialismus.[6]
Die Frage der Geschlechtlichkeit, der Diversität, der Dekolonialität, des Denkens wird in allen Wissens- und Sprachbereichen weiterhin auf Grundlage von Gesetzgebungen getroffen, die diese Faktoren der Körperlichkeit als gegebene ansehen und beibehalten wollen. Sie reicht hinein bis in die Frage nach dem, was Kultur genannt wird, die mit einer ähnlichen Idee der Unveränderlichkeit formuliert wird. Ahmed zitiert die Suhaiymah Manzoor-Khan aus dem
A Fly Girl’s Guide to University:
Zuerst treiben sie dich an
die Treppe, die Leiter hinauf
mit einem Lächeln
du lächelst zurück
ahnungslos, dass ihr Lächeln
nicht dir gilt.[7]
Es ist interessant, dass das Übersetzen des Handbuchs auf so vielen Ebenen davon zeugt, worüber es spricht, in den Strukturen und Hierarchien, die auch das Übersetzen betreffen,
Sherry Simon hat in de 1990ern bereits folgende feministische Überlegung formuliert:
„Übersetzer:innen und Frauen* sind historisch gesehen die schwächeren Positionen im Hinblick auf die Hierarchien: Übersetzer:innen sind die Dienstmädchen der Autor:innen, wie Frauen* Männern als unterlegen erachtet werden.
Translators and women have historically been the weaker gures in their respective hierarchies: translators are handmaidens to authors, women inferior to men [8]
Die Sprache und die Übersetzung zeugen von den Kriterien der Körperlichkeit, die immer noch auf eine sehr deutliche Weise von einer „weißen, patriachalen,
https://www.youtube.com/watch?v=DkJKJZU7xXU&t=35s&ab_channel=DemocracyNow%21
Die Kriterien der Körperlichkeit, der Geschlechtlichkeit und der kulturellen Diversität als unvereinbare Grundfesten und gesetzlich zu regulierende Pfeiler einer Gesellschaft eben nicht zu performativen Elementen, sondern als normierte, angeborene Aspekte von Körpern angesehen und beschrieben. Jeder Körper ist auch ein „fortlaufenden persönlichen Diskurs“[9] und ebenso die Versprachlichung des Körpers.
In performativer Sprache und beim Übersetzen steht diese Idee im Vordergrund, da sie sich stärker am beziehungsorientierten Sprechen orientiert, als an einer universalisierenden Geste, die Formen der Segmentierung und Trennung verursacht. und die im Akt der Dekolonialisierung rückgängig gemacht zu werden versucht wird, ohne dass es die verlorene Zeit, die verursachte Gewalt oder die verletzten Körper leugnen würde, sondern vielmehr an- und ausspricht und wieder an einen Körper zu binden versucht.[10] So wie das Handbuch von Sara Ahmed eben zu Hand genommen wird. Handbücher machen Themen anwendbar, haben einen praktischen, körperlichen Bezug.
Aus diesem Grund habe ich die Übersetzung von Sara Ahmeds Handbuch für die feministische Nervensäge vorgeschlagen. Darüber hinaus ist Sara Ahmed eine poetische Theoretikerin, eine Schreibkünstlerin, für die die Verwendung der Sprache zur Erklärung von Ideen, Denkmustern und Konzepten ist, die weniger nach einer neutrale, universalistischen Wortfindung, sondern viel mehr immer ein Bekenntnis einer poietische Neusetzung von Begriffen, Worten, sprachliche Bilder und formalen Sprachmuster bedeutet, die Veränderungen bedeuten und ermöglichen. Die das Unpopuläre ansprechen, benennen, wohlwissend, dass es hiernach ausreichen kann im Raum zu sein, um bestimmte Ideen zu verkörpern, die gerne verschwiegen werden.
Es ist eine intersektionale, dekoloniale, feministische Sprache, die Ahmed kreiert, zitiert, amplifiziert, arrangiert und neu deutet. Es ist eine Sprache, die fehlt, eine Sprache, die sich an die Vorfahren, die Großmutter, Tanten, Schwestern, Mütter wendet, die vor ihr mit an einer solchen Sprache gearbeitet haben.
Es sind Denker:innen, Philosoph:innen, Aktivist:innen und insbesondere Poet:innen., auf die sie sich beruft, von denen ausgehend sie Themata, Sprache, Aktivismus und Poesie an- und auspricht. Ebenso wenig, wie es vielleicht erwartet wird von einer Wissenschaftlerin, einer Theoretikerin, dass das Wissen, die Worte und die Weisheiten von Dichterinnen für sie die allerwichtigste Rolle einnehmen. Ebenso wie sie selbst in ihrem Schreiben mit Rhythmisierung, Repetitionen, Etymologien, Sprachzerlegungen und Sammlungen sowie Neuerfindungen arbeitet, ebenso sehr verweist sie und inkludiert sie, die die vor ihr kamen. Das macht sie für mich zu einer Besonderheit, weil sie nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch feministisch handelt und auch eine feministische Sprache erfindet. Da es auch in diesem Handbuch nicht nur um die Dokumentation von Gedanken oder der Neutralität der Begrifflichkeiten, sondern v.a. um Faktizität geht, sondern, ich würde es so deutlich sagen, um einer Neuformulierung von Feminismen.
Dieses Sprachbewusstsein ist etwas, was ihre Arbeiten für mich so besonders, wichtig und anschlussfähig macht. Sie spricht mit einem breiten Wissen über Diskurse und Wissenstraditionen, ebenso wie über die künstlerische Praxis und den Prozess der Kreation.
Sie schreibt hierbei insbesondere über Diversitätsdiskurse und feminine und feministische Wissenstraditionen. Da diese bedauerlicherweise immer noch nicht zum klassischen Kanon oder zur Tradition gehören, bedeutet dies auch, dass die Sprache, die hierfür benützt wird an vielen Stellen eine neue, andere, sensiblere, machtkritische Position einnimmt, dass Ahmed zum Teil Worte neu einführt, neu besetzt oder umdeutet. Die Richtigkeit der Sprache besteht dann nicht ausschließlich in einer grammatikalische Richtigkeit, sondern auch in einer politischen, einer Richtigkeit, die das, worüber sie schreibt, den Prozess, das Entstehen, das manchmal Unklare und Undeutliche nicht übergeht, sondern zulässt, zeigt und dadurch weder verklärt, noch aufklärt, auch nicht erklärt, sondern einfach nur klärt und klar macht, worum es geht und dass das, worüber gesprochen wird, sich auch in der Wortwahl, in der Grammatik, im Wissen um die Herkunft der Worte zeigt. Das ist gerade für die deutsche Übersetzung eine große Herausforderung, das die Traumatisierungen und Nazifizierung der deutschen Sprache insbesondere bei politische Fragen, bei Fragen um Gender, um Feminismus, Rassismus und Intersektionalität zeigt, wie oft das Deutsche im Alltag, im tägliche Sprachgebrauch immer noch geprägt ist von diese gesellschaftlichen Phänomenen.
Dies führte zu vielen Diskussionen im Prozess der Übersetzung, das es mir seit langem ein Anliegen ist im Deutsche diese Traumatisierungen sichtbar zu machen, was auf viel Widerstand stößt, oftmals nur als eine Art Automatismus, sicher oft einfach, weil es im Alltag sehr geläufig ist Worte zu verwenden, die Erfindungen der Nationalsozialist:innen waren. Auch die Genderdebatten, die Verwendung von Anglizismen, aufgrund der verlangsamen Adaption an Veränderungsprozesse ist ein sehr häufiges Phänomen. Ich hatte bereits einen Rolling Eyes Glossar (2019) zu diesen Themen geschrieben auf der Grundlage von Sara Ahmeds Gleichnis aus ihrem früheren Texten „Rollende Augen=Feministische Pädagogik“ ebenso wie ein poetisches Buch mit dem Titel „Am Ende der Weissheit“ (2021) auf der Basis des kritischen Diskurses um den Begriff der Weissheit, doch war deutlich, dass immer noch viele Begriffe im Deutschen fehlen, schwierig sind, feministische Fragen um das Gendern von Begriffen zu klären sind, ebenso wie Begriffe, die Rassismen betreffen ebenso wie andere Diskriminierungsformen.
Das Deutsche hinkt hier noch etwas hinterher. Hat eine andere Sprachgeschichte und Entwicklung genommen und ist eben zusätzlich durch den kreativen Missbrauch der Nationalsozialisten und ihre Sprachpropaganda schwer geschädigt und sicherlich noch weit davon entfernt auf dem Weg der Genesung zu sein. Eher fällt sie im Moment ja wieder weit zurück. Wie also vorgehen? Wie vorgehen, wenn dies eine Minoritätsdiskussion ist, da eine Sprache natürlich durch eine Mehrheit bestimmt ist und eine Mehrheit nicht zwangsläufig findet, dass es ein Problem gibt. Wie an Sprachverboten, Genderverboten etc. zu sehen ist.
Dies bedeutet auch, dass nicht alles immer sprachlich „sauber“ gehalten werden kann, ebenso, wie sie das Thema Sauberkeit und Politur auch thematisch anspricht, zeigt sie es auch im eigenen Schreiben. Dies gilt auch für die Ambiguität und Komplexität der Sprache, die nicht an allen Stellen vereinfacht werden kann, es zeigt sich dadurch, dass sie es erlaubt, und zu eigenen Form und Stimme werden lässt. Sara Ahmed macht die Unterscheidung zwischen dem „Polieren“ (polishing) und dem „Begegnen des Realen“ (encounter what is real) (108). Im Deutschen wird das „säubern“ ganz klar mit der Sprache der Nationalsozialist:innen in Zusammenhang gebracht und aufs Neue deutlich, wie stark Rassismen sich in der deutschen Sprache verbergen, immer noch. Das kann auch in anderen Sprachen geschehen, sie nennt es „höfliche Racismus“ (polite racism) und verwendet wie an vielen Stellen im Buch die Herleitung durch eine Etymologie, da das Wort polite mit dem Wort polish den Wortstamm teilt und verweist auf die Verbindung vom Wegwischen, glätten.
Eine Übersetzung von Sara Ahmeds Schreiben stellt die Übersetzerin vor einige schwierige Fragestellungen, da Sprachen einerseits selbst sehr unterschiedliche Diskriminierungsformen beinhalten, und hierbei das Englische ganz andere als das Deutsche, und Ahmed eigens einige hinzufügt, um diese Inhalte sichtbar, kritisierbar und diskutierbar zu machen. Es geht insbesondere um Begriffe, für die im Deutschen eher die englischen Begriffe verwendet werden, mangels einer eigenen, neuen Zuschreibung. Es geht insbesondere um Begriffe wie People of Color, Queerness, Gender, auch crip (Krüppel) wären als Beispiele zu nennen. Es geht um die Erlaubnis der Selbstbenennung, die im Deutschen noch immer schwierig ist, Sprache bezeugt, in der Übersetzung werden diese Unterschiede, die benannt werden und dann nicht einfach übersetzt werden können deutlich und sind strittig.
Bei der Frage, welche Schwerpunkte der Übersetzung hierbei gesetzt wurden, habe ich mich immer zugunsten einer sprachlichen Präzision, einer transkulturellen Anbindung und eines sensiblen Umgangs mit dem Kontextwissen aus ihren Bezugstexten, egal ob es um theoretische, wissenschaftliche, belletristische, aktivistische, poetische etc. Schriften, entschieden. Selbst wenn dies den Text nicht immer vereinfacht und ggf. frühere Übersetzungen hinterfragt und neu deutet. Sprache(n) wachsen und entwickeln sich, Sprache(n) tragen ihre Geschichte mit sich herum und dies ist im Deutschen, dieser traumatisierten und erfindungsreichen, Sprache sehr deutlich. Gerade wenn es um antirassistische und antifeministische Fragen gibt, mangelt es dem Deutschen an Worten, weil das Deutsche einerseits die Manipulationen und den Missbrauch des nationalsozialistischen Gebrauchs beinhaltet, die in vielen Worten die rassistischen und sexistischen Spuren hinterlassen haben.
Im Deutschen werden daher heute noch häufig Anglizismen verwendet, da Referenzbegriffe komplett andere Bedeutungsebenen mit sich bringen, wie z.B. das Wort „braun“, das im Deutschen auf die faschistischen „Braunhemden“, also die Nationalsozialismen, hindeutet und daher nicht so einfach eine Selbstzuschreibung von „black and brown people“ (Schwarze und browne Menschen) benutzt werden kann. Wie man an den Beispielen sieht ist das Deutsche glücklicherweise sehr inklusiv, so lassen sich auch Worte aus anderen Sprachen grammatikalisch einbinden.
Bei einem feministischen Buch spielt zudem die Geschlechtlichkeit der deutschen Sprache eine große Rolle, die das Englische so nicht besitzt, auch das Fehlen einer deutschen Bezeichnung für das „soziale Geschlecht“ als Gender, vs. einer Geschlechtlichkeit, die nicht „sozial“ ist sex, gehört hierzu. In der Übersetzung habe ich vorzugsweise mit „Genderdoppelpunkt“ gearbeitet, wohlwissend, dass diese Wahl nur eine Annäherung ist. Ahmed ist sprachlich sehr aufmerksam, sie arbeitet mit
Eine wichtige Überlegung, zu der ich noch etwas anmerken möchte, ist die Entscheidung von der bislang in den deutschsprachigen Übersetzungen von Sara Ahmeds titelgebendem und häufig verwendeten Begriff feminst killjoy abzuweichen. Bislang wurde der Begriff mit Spaßverderber:in oder Spielverderber:in ins Deutsche übersetzt. Dieses Wort selbst mag im Deutschen korrekt sein, jedoch hat es eine eher ironische Konnotation und was aber noch viel wichtiger ist, sie beinhaltet nicht die Brutalität und Gewalttätigkeit, die das Wort killjoy besitzt. Sara Ahmed widmet diesem Wort selbst eine längere Passage der Reflektion, bei der sie die Etymologie und Begriffsgeschichte sowie literarische Referenzen anfügt. Die deutschen Worte haben eine deutlich andere Begriffsgeschichte. Bei „to kill“ geht es ganz wörtlich um die Ermordung oder das Toten und das Wort „joy“ wäre im Deutschen eher mit dem Wort „Freude“ zu übersetzen, da „Spaß“ in seiner Form etwas lauter und oberflächlicher ist und dem englischen „fun“ nähersteht. Aus der feministischen Erfahrung habe ich für die Übersetzung den Begriff der Nervensäge gewählt, da das „sägen“ einen konkreteren, gewalttätigeren Akt darstellt und der Begriff aus einem empirischen Abgleich im Kontext mit Feminist:innen deutlich häufiger verwendet wird. Zudem handelt es sich um ein Wort, das im Deutschen ein feminines Wort ist, das nicht gegendert werden muss und für alle Geschlechter verwendet werden kann. Ich persönlich bin oft genug als Nervensäge bezeichnet worden, wenn ich feministische Themen adressiert haben, nie als Spaß- oder Spielverderberin. Da das Deutsche präzise ist, würde diese Benennung zugeben, dass es ein Spiel ist, dass denen, die teilhaben Spaß macht. Das tut das Wort killjoy nicht und auch nicht das Wort Nervensäge.
Sara Ahmed erklärt an vielen Stellen ihre Wortwahl, das zu übertragen ist eine Herausforderung, da es den deutschsprachigen Kontext und auch die deutschsprachige Praxis aufzeigt. Es muss angenommen werden und es versteht sich eigentlich, so dachte ich, von selbst, dass es diskutiert wird. Feministisch zu sprechen, heißt auch darauf zu verzichten es besser zu wissen und gerade zu rücken. Das ist vielleicht nicht immer leicht zu ertragen, aber manches, was sich nicht sofort aufklärt, ist wichtig, um möglichst viele Ansichten einfließen zu lassen und nicht diese geradezurücken: Èduard Glissant schreibt in Poetics of Relations:
The opaque is not the obscure, though it is possible for it to be so and be accepted as such. It is that which cannot be reduced, which is the most perennial guarantee of participation and confluence.[11]
So ist Sara Ahmeds Handbuch für die feministische Nervensäge ist nicht nur ein Buch für die praktische Anwendung, eine Verzeichnis von Materialien und Werkzeugen, eine Sammlung von Referenzen und Weggefährt:innen, ein Bündelung von femininem Wissen und feministischem Kanonbildung, die der Bildung einer feministischen Community ebenso zuträglich ist. Das Handbuch ist eine Quelle für eine neue Sprache und für ihre Übersetzung, die zusammenträgt und zusammenfließen lässt, was sowieso zusammengehört. Es legt die Aufmerksamkeit auf die Sprache, in allen Bereichen,
[Anmerkung zu diesem Text aus 2024: Das Buch von Sara Ahmed wurde, wegen eben dieser Diskussion zur Thematik der feministischen Übersetzungen nicht unter meinem Namen (eine weniger sture Übersetzer:in)hat den Text und Titel geglättet) publiziert, der Verleger hatte das letzte Wort, ich habe meinen Namen zurückgezogen, denn ein geglätteter und weniger feministischerText kam für mich nicht in Frage. Alle Folgeaufträge hatte ich verloren, den Text zur Übersetzung aber bereits geschrieben. Ich habe nun, über 1 Jahr später, entschieden den Text zur feministischen Übersetzung hier zu veröffentlichen.]
...mehr Infos auf Anfrage......
[1] https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB&lemid=U06651; https://vds-ev.de/aktionen/aufrufe/schluss-mit-gender-unfug/
[2] https://vds-ev.de/aktionen/aufrufe/schluss-mit-gender-unfug/
[3]Lemma „Kulturschaffende“im Glossar der Bundeszentrale für politische Aufklärung: https://www.bpb.de/themen/parteien/sprache-und-politik/42759/vokabeln-im-nationalsozialismus/
[4] Robin Di Angelo, White Fragility, 2011: https://libjournal.uncg.edu/ijcp/article/viewFile/%20249/116
[5] https://www.comatonse.com/writings/2011_terre_interviews_terre.html
[6] Viktor Klemperer: LTI. Notizbuch eines Philologen, Leipzig: Reclam 31975.
[7] Suhaiymah Manzoor-Khan in: Odelia Younge et. alt. (Ed.) A Fly Girl's Guide To University: Being a Woman of Colour at Cambridge and Other Institutions of Elitism and Power, Birmingham 2019, 146.
[8] Simon, Sherry. 1996. Gender in Translation: cultural identity and the politics of, London/New York 1996, 1.
[9] Der Untertitel von Simone Fortis Handbook in Motion (1974) lautete: An Account of an Ongoing Personal Discourse and its Manifestations in Dance, vgl. “Oh Tongue”
[10] Vgl: „Die Kolonialisation nach der Zeit der Sklaverei beruhte weiter auf ähnlichen Strategien der Enteignung (von Land, Kulturen, Sprache und Erinnerungen), der Trennung der Segmentierung. Städte wurden niedergebrannt, Kunstgegenstände zerstört oder gestohlen (90 Prozent der afrikanischen Kunstgegenstände befinden sich außerhalb des afrikanischen Kontinents), Menschen, Berge, Flüsse und Pflanzen wurden umbenannt, Geschichte wurde umgeschrieben. Nichts kann einen Ausgleich dafür schaffen. Selbst die Rückgabe von Objekten an ihre Eigentümer*innen kann niemals die verlorene Zeit kompensieren, in der die Völker nicht mit ihnen umgehen konnten.“(Françoise Vergés: Das postkoloniale Selbst, in: Wörterbuch der Gegenwart, hrsg. von Bernd Scherer/Olga von Schubert/Stefan Aue, Berlin: Matthes & Seitz 2019, 288-294, 291).
[11] Édouard Glissant: Poetics of Relation (1990), 191f.
This website uses cookies to improve your experience. We'll assume you're ok with this, but you can opt-out if you wish.